Gleich Anfang Juli folgte ich einem Hinweis eines Bloggerkollegen vom Niederrhein, dem lieben Jürgen von Wanderwegewelt. „Mit der Rikscha unterwegs durch die Momm Niederungen“, mit Glück einschließlich Sichtung der Storchenfamilien, so lautet das Motto. Das war ein interessanter, sehr abwechslungsreicher Ausflug, der mit einem schönen Abschluss im Hause der Rikschafahrerin endete.

Trientke heißt die junge Frau, die mich freundlich begrüßt, als ich nach einstündiger Fahrt in Götterswickerhamm eintreffe. Trientke wohnt da, wo die Blaumeise den Briefkasten als ihre Wohnung auserkoren hat und diesen erst verlässt, als eine Ersatzbehausung gleich neben dem Briefkasten montiert ist. Seit dem darf auch die Briefzustellerin wieder, ohne Gezeter auszulösen, die Post einwerfen. Aber ich bin ja nicht wegen der Blaumeise hier, sondern um mich kutschieren zu lassen. Auf geht’s..

Mit der Rikscha unterwegs

Eins kann ich sagen, wer sonst immer selbstständig, heißt selber Fahrrad und selber Auto fahrend, oder auch wandernd unterwegs ist, der tut sich möglicherweise erstmal schwer sich kutschieren zu lassen. Für mich war es in den ersten Minuten echt herausfordernd. Ich vertraue mich an…… WOW für mich ungewöhnlich, aber eine gute und wichtige Erfahrung.

Mit der Rikscha unterwegsTrientke lenkt das Gefährt aber so sicher durch die Landschaft, da kann Frau wirklich vertrauen. Selbst relativ eng stehende Poller schafft sie im ersten Anlauf zu durchfahren. Wir starten also und landen ziemlich flott am Rhein. Es wird nicht soo viele Fotos geben, denn auf einer Rikscha holpert und poltert es, jede Unebenheit auf den Wegen erschüttert der Fotografin Hand. Immer anhalten geht auch nicht, denn Anfahren einer Rikscha kostet Kraft, sowohl in den Beinen der Lenkerin, als auch der Kapazität des E-Bike Akku.

Mit der Rikscha unterwegs im 19. Jahrhundert

Die Rikscha wurde Ende des 19. JH erfunden, damals noch durch Menschen gezogen. Angeblich sei es ein Europäer gewesen, der diesen „Handwagen mit Stuhl“ als Verkehrsmittel einsetzte. Lange überwiegend in Ost- und Südasien verbreitet, taucht das Gefährt, das inzwischen per Fahrrad gezogen wird, auch hierzulande vermehrt auf.

Götterswickerhamm am Rhein

Götterswickermann, ein Ortsname, den ich zuvor nie hörte. Die Stadt Voerde macht sich tatsächlich die Mühe zu jedem einzelnen Stadtteil eine ordentliche Vorstellung zu liefern. So finde ich auch Informationen zu dem kleinen Ort, mit seinen nicht einmal 600 Seelen.

Das Silberdorf Götterswickerhamm liegt direkt am Rhein und entlang dieses Flusses verläuft der Treidelpfad. Dort steht auch heute noch das alte Lotsenhäuschen. Hier wurden nicht nur die Schiffe und Boote gelotst, sondern auch Neuigkeiten ausgetauscht.

Lotsenhäuschen-Mit der Rikscha unterwegs
Lotsenhäuschen und Treidelpfad

Im Jahr 2011 hat man den Erfolg des Dorfes beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ gefeiert. Seit dem ist Götterswickerhamm ein Silberdorf.

Götterswickerhamm
Blick in entgegen gesetzte Richtung – Restaurant Zur Arche

Eine Weile fahren wir entlang des Rheins. Schon von weitem sind die drei Türme des im Frühjahr 2017 stillgelegten Kraftwerk Voerde zu sehen. Der Rückbau soll in 2026 abgeschlossen sein.

Kraftwerk Voerde - Mit der Rikscha unterwegs
Kraftwerk Voerde

Hier stand auch einst das Haus Ahr, um das viele Bürger von Voerde trauern. Einzig der Dachreiter des ehemaligen Rittersitz ist übrig geblieben, als Erinnerungsmarke sozusagen. Im Jahr 2003 wurde der zerfallene Rest abgetragen.

Haus Voerde – Hochzeitsweg

Früher war es in manchen Regionen Brauch und Pflicht vor der Hochzeit einen Baum zu pflanzen. Hierdurch sollte der Waldvernichtung entgegen gewirkt und das Stadtbild aufgewertet werden. So entstand der Hochzeitsweg. Diesen Brauch setzen die Menschen in Voerde fort, allerdings ohne Zwang. Auch Anlässe wie Geburten, Hochzeitsjubiläen und ähnliche familiäre Ereignisse können für eine Baumpflanzaktion herhalten. Gepflanzt wird, im Interesse des Überlebens der Bäume, immer im Herbst.

Hochzeitsweg Voerde
Hochzeitsweg Voerde

Heiraten können die Paare im nahe gelegenen Wasserschloss Haus Voerde das ganze Jahr über. Dieses alte Gemäuer, seit seinem Bau um 1200 vermutlich, schon zig Mal umgebaut und hat einen ganz besonderen Charme. Irgendwann werde ich noch einmal hinfahren und mich im Park umschauen.

Wasserschloss Haus Voerde
Wasserschloss Haus Voerde

Naturschutzgebiet „Momm-Niederung“

Und dann biegen wir ab und fahren durch die Momm-Niederung, ein Naturschutzgebiet von ca. 600 Hektar Fläche. Eine schöne Besonderheit ist, hier brüten Störche. Jetzt Anfang Juli sind die Jungstörche schon fast alle aus den Nestern heraus und auf den Wiesen zu finden. Ein Trio haben wir noch im Nest entdecken können. Besonders auffällig sind die vielen Kopfbäume – Eschen, Weiden und Buchen und sie werden gepflegt.

Im Frühjahr dürfte hier eine wahre Blütenpracht der Obstbäume vorherrschen. Weißdornhecken sorgen für geschützte Bereiche. Hier darf sich einiges an Flora und Fauna entwickeln.

Momm-Niederung
Die Vegetation ist so herrlich, ich möchte hier nur langsam durch
Momm-Niederung
Storch auf Futtersuche
Drei Störche
Drei Störche auf Futtersuche

Neben Störchen und Kopfweiden etc. stehen hier auch massenhaft Brombeersträucher. Und dann entlarvt Trientke die Brombeere als ein Gewächs, das sich durch Stickstoffvorkommen besonders gut entwickelt. Das schockiert mich zutiefst, obwohl ja bekannt ist, dass diese Früchte bevorzugt an Bahnlinien gedeihen. Gleiches gilt übrigens für die Brennnessel. Trientke sorgt für einiges an Wissen, obwohl ich nur Bruchteile von dem, was sie erzählte, behalten habe.

Weiter geht die Fahrt – Von Mehrum nach Löhnen

Wir nähern uns Mehrum. Eine unvollendete hoch oben weckt die Aufmerksamkeit. Es waren wohl jüngere, möglicherweise unerfahrene Störche, die hier ein Nest bauten und es dann nicht zum brüten nutzten.

Storchennest
Weiter geht die Fahrt – Ein Nest, vermutlich von jungen Störchen gebaut und nicht zum brüten genutzt

Ehrlich gesagt ist es nicht so einfach die letzten Meter zu dokumentieren. Trientke und ich haben vereinbart, dass wir uns erneut treffen. Dann gibt es mehr zu Hochkellern und Warfen, die hier im Überschwemmungsgebiet eine wichtige Rolle spielen. Hierfür fehlen mir Fotos und die möchte ich noch fertigen. Nun gibt es aber erstmal Tee…..

Ein Tässchen Tee gefällig?

Der Einladung einer ostfriesischen Teezeremonie beizuwohnen, der kann und will ich nicht widerstehen. Die Mama von Trientke ist über 94 Jahre alt, rüstig und noch auf Tradition bedacht. Ich lande in einem Mehrgenerationshaushalt, das kenne ich ähnlich noch von meiner Oma aus Nümbrecht.

Und wer da glaubt der Ostfriese wäre schweigsam, der kennt die Familie von Trientke nicht. Da wird erzählt und diskutiert, kein bisschen leise und ganz sicher nicht wortkarg.

Nun aber die Teezeremonie, die einer festgelegten Reihenfolge und von der Hausherrin durchgeführt wird. Der Kadis wird mit der Kluntjezange in die Tasse gelegt, der heiße Tee eingefüllt und anschließend wird vooooorsichtig und langsam mit dem Rohmlepel ein Sahneguß nachgegeben. Es macht gute Laune und entspannt, dem sich ausbreitenden Sahnewölkchen zuzusehen. Und niiiiemals rühren, der Tee wird so getrunken (genossen) Ich gebe zu, mir hat er so gut geschmeckt, dass ich das mit dem langsamen Genuss nicht so hinbekommen habe. Da sind mir die Originalfriesen was Geduld und Manier angeht um Längen voraus.

Nach drei Durchgängen ist die Zeremonie ordentlich beendet. Zum Zeichen dafür legt man den Löffel (das ist seine einzige Funktion) in die Tasse, nach dem ostfriesischen Brauch „Dree is Oostfresen Recht“, dass keine weitere Tasse Tee gewünscht ist.

Am Ende meines Besuches finden sich Eier der im Garten lebenden Hühner und Marmelade von einer Nachbarin und entfernten Verwandten der Familie in meinem Köfferchen ein. Die Eier sind herrlich unsortiert, mal groß von den Althennen und mal klein, von den Junghennen. So mag ich das.

Eier und Marmelade
Früüühstück

Ein herrlicher Vormittag geht zu Ende. Eine andere Welt, so kommt es mir hier vor. Es wird hoffentlich eine Wiederholung geben.

Wer mal mit dem Rad nachfahren möchte oder mit Trientke in der Rikscha fahren möchte, hier ein paar Informationen.

2 Kommentare

    1. Mir ist auf Köln/Leverkusener Stadtrandgebiet auch schon mal so ein Gefährt begegnet. Da hat ein Sohn seinen alten Papa durch die Gegend kutschiert. So eine schöne Idee. 😍

Ich freue mich über ein paar nette Worte....

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