Der Wäller Schnippel hat mich erst geärgert und dann begeistert. Ein Wanderweg, der zunächst quälend lange über Ortsstraßen und Teerwege führt, gleicht dieses Manko später deutlich aus. Herrlich stille Wege bringen uns durch bezaubernde Wälder auf den Großen Kopf zum Limesturm hinauf. Der Kühlschrank mit lecker kalten Getränken an der Augstblick Hütte ist eine perfekte Ergänzung des Wanderpaketes auf dem Wäller Schnippel.
Wenn vor Aufregung das Herz klopft. Nach wochenlanger Wanderpause ist die Vorfreude einfach überwältigend endlich wieder in die Natur zu kommen, richtig wandern. Erst setzt mich eine Fiebererkrankung schachmatt und im Anschluss verbrachte ich zwei herrliche Wochen mit meiner ältesten Enkelin. So konnte diese lange Wanderabstinenz entstehen. Jetzt zappele ich nervös mit den Wanderfüßen.
Wäller Schnippel
- Start/ Ziel: Arzbach, 56337 Am Kennelbach großer Parkplatz
- Streckenlänge: 11,2 km (mit Abstecher zum Limesturm)
- Höhenmeter: 333 m
- Mehr Wällertouren hier im Blog
- Mein Erlebnis mit der Westerwald Touristik im Rahmen einer Bloggerwanderung Tag 1 und Tag 2
Meine Vorfreude nimmt ein wenig ab als ich feststelle, dass meine Achillesferse schmerzhaft Protest anmeldet. Es wird also ein ausgesprochen langsames wandern heute. Hauptsache draußen, Hauptsache den Verstand abschalten und die Nase in den warmen Westerwaldwind halten. Also los…..
Kurz hinter dem großen Parkplatz treffe ich auf einen vergitterten Zugang zu einem ehemaligen Luftschutzstollen, der heute seit 1982 Heimat für Fledermäuse ist.

Mein spontaner erster Eindruck ist stark positiv, der Weg dem ich folgen darf lockt mich.

Doch dann lande ich unvermittelt wieder auf Ortsstraßen. Nun ja, denke ich mir, das bleibt sicher nicht lange so. Gleich geht sicher wieder auf fußfreundliche Wege.
Erstmal Frust
Nach einem Kilometer befinde ich mich immer noch im Ort Arzbach. Jede Möglichkeit in die Natur zu entfliehen wird sorgsam umgangen. Von Naturnähe wird in der Beschreibung zu dieser Wäller Tour gesprochen, auch die Bewertungen sind positiv. Wie kommt diese Diskrepanz zu meiner eigenen Wahrnehmung zustande?

Es zieht sich weiter auf Straßen und Teer. Geräusche der Zivilisation sind deutlich zu vernehmen. Ich habe die Bilder des Betreibers vor meinem geistigen Auge. Sehe Wanderer durch herrliche offene Landschaft des Westerwalds laufen. Mein erster Eindruck hat mit diesen Bildern überhaupt gar nichts zu tun.
Endlich lande ich auf einem sehr schmalen Pfad oberhalb von Arxbach, endlich. Eine kleine Lücke tut sich auf und ich habe den Blick frei auf die gegenüber liegenden Waldflächen. An die toten Fichtenstämme habe ich mich inzwischen gewöhnt. Das aber Anfang August bereits Herbststimmung in den Wäldern herrschen kann, erschreckt mich. Trotz gelegentlicher Regenfälle wirken die Wälder ausgetrocknet und karg, keine saftigen Gräser wachsen entlang meines Weges.

Kaum 300 m darf ich auf dem weichen Waldboden laufen da stehe ich schon auf der nächsten Straße. Ich befinde mich zwar in einer 30er Zone, so dass die Autos hier nicht vorbei rasen aber Naturgenuss sieht für mich anders aus. Ich bin so unzufrieden wie schon lange nicht mehr.
Erst nach circa vier Kilometern auf diesem Rundweg entfaltet er langsam erst zögerlich seine Zauber.


Der Wäller Schnippel erfüllt sein Versprechen
Die Sonne sucht den Weg zwischen die hohen Buchen und erzeugt beinahe eine Blattfärbung wie im Frühjahr. Seit Beginn steigt der Weg kontinuierlich aber sanft an und senkt sich erst nach der Mitte der Gesamtstrecke von 10 km ebenso sachte wieder dem Startpunkt zu. So bietet er sich für Wanderanfänger ganz besonders an.

Vom Germanenblick zum Stefansturm
Endlich kann ich den Westerwald in seiner schönsten Form genießen. Die Natur hat durch Trockenheit einige Schäden davon getragen. Es sterben nicht nur Fichten, auch Buchen leiden extrem und kippen einfach um. Wird es andere Wälder geben, vielleicht einiges mehr an Mischwäldern, die auf mich gesünder wirken?
Am Germanen Blick kann ich der Versuchung einer kurzen Rast nicht widerstehen. Zu schön ist der Blick auf die Ortschaften, die erhaben über den Wäldern thronen. Auch Arzbach ist von hier aus zu sehen.


Wanderer finden neben der Sinnesbank Holzstämme zum Abstellen einer Tasse Kaffee oder der Stulle. Ein gemütlicher Platz aus natürlichen Materialien. Damit entlockt man mir immer schnell wohlwollende Worte.
Auf weiterhin schönen Waldwegen an einem Palisadenzaun vorbei weisen mir die regelmäßig angebrachten Wegezeichen des Wäller Schnippel den Weg hinauf zum Limesturm. Den Aufstieg würde ich keinesfalls auslassen, obwohl er nicht zwingend ist.
Manchmal gruselt es mich
Oben angekommen gibt es reichlich zum lesen. Tafeln informieren über die Geschichte des Römischen Kastell am Rande von Arzbach. Auf einer Höhe von 423 m Höhe auf einem Vulkankegel steht der Stefansturm, eine Rekonstruktion eines Römischen Wachturms. Der Verkehrsverein Arzbach hat ihn in den Jahren 1953/1954 auf den Fundamenten des ehemaligen Limes-Wachposten errichtet. Von hier hat man einen schönen Blick auf Augst.
Natürlich klettere ich hinauf, auf den Stefansturm und dann erwischt mich wieder einmal mein oft vorhandenes Gruselgedächtnis. Erst heute früh hatte ich im Fernsehen vernommen das in Eitdorf, auf dem Zuweg zum Natursteig Sieg eine Leiche gefunden wurde. Sie lag dort offensichtlich schon seit zwei Wochen.
Während ich die knarzenden Stufen die Stufen des Turms erklimme überzieht eine Gänsehaut meine Arme. Es ist dunkel hier und der Wind pfeift durch die Ritzen des hölzernen Aufbaus. Ein Gesamteindruck, der wie so oft die Einsamkeit eines Ortes deutlich macht.

Oben angekommen stelle ich fest, kein Mörder in Sicht. 🙈

Es ist ziemlich windig hier oben und deshalb mache ich mich ziemlich schnell wieder davon. Der Weg hinab wird von den schönen Ausblicken auf den Westerwald belohnt. Hoher Farn säumt den Weg, der allmählich die ersten braunen Wedel hat.


Ein liebevolles Angebot an der Augstblick Hütte
Nicht mehr weit und ich lande an der Augsthütte. Hier steht ein Kühlschrank mit Getränken. Gegen ein kleines Entgelt können sich durstige Menschen bedienen.
Ich habe kein Kleingeld, so lege ich einen Fünf-Euro-Schein in den Topf. Ich hinterlasse den Schein mit einem doofen Gefühl im Bauch, aber in der Hoffnung dass er dort landet wo er hingehört. Ganz entgegen meinen Gewohnheiten gönne ich mir einen Radler, dass mir erstaunlich gut schmeckt. Eigentlich brauchte ich nur ein Getränk, um meinen Frühstückstisch zu fotografieren.

Über mir sind irgendwelche Flugzeuge unterwegs und stören die göttliche Stille. Bald ist aber auch dieser Lärm verklungen und ich lausche im Klopfen des Spechtes, schaue den Schmetterlingen bei ihrem taumelnden Flug zu und genieße das Rauschen der Bäume unter dem sanften Wind. Es ist schön an diesem einsamen Platz.
Die Natur heilt – Wäller Schnippel
Während ich in meinem schlendern Gang Richtung Arzbach wandere, wird mir bewusst zum 100.000 Mal wie kostbar die Momente in der Natur sind. Hin und wieder an Anwesen vorbei aber überwiegend durch hellen Wald, führt der Wäller Schnippel. Schmetterlinge und summendes Insektengetier tummelt sich in Brennesseln, Distel & Co.
Wenig weiter wuchert das drüsige Springkraut zwischen den toten Fichten Stämmen. Eine ausgesprochen makabere Kombination. Das Kraut, das ursprünglich nicht in unsere Regionen gehört besiedelt die Gebiete wo ortsansässige Fichten ihr Leben verloren haben. Doch wenn man die Wahrheit wissen will, wird man schnell verstehen, dass weder das eine noch das andere hier in dieser Weise wachsen würde, hätte der Mensch ist nicht hierher gebracht.

Die Früchte reifen
Der Sommer bringt Früchte. Die Zwetschgen stehen kurz vor der Reife und auch die ersten Apfelsorten sind zum pflücken bereit. Leider keine Streuobstwiesen aber hier und dort überhängende Zweige laden zum naschen ein.



Bald verlasse ich die Natur und lande wieder in Arzbach. Noch eine ganze Weile muss ich durch den Ort, bevor ich meinen Startpunkt wieder erreiche.

Schlussendlich war es eine tolle Wanderung auf dem Wäller Schnippel, wenn auch mit für mich weniger attraktiven Strecken am Anfang und Ende der Runde. Für mich wäre denkbar bei einer Wiederholung, die ich durchaus in Betracht ziehe, für das Endstück ein Ausweichen auf den Westerwald Steig in Betracht zu ziehen. Wer noch mehr, vor allem über den WesterwaldSteig, erfahren möchte der schaue hier auf der Webseite des Westerwald Tourismus
Sehr schöne Tour, werde ich mal auf meine Liste nehmen. Könnte evtl auch was für meine Stiefmama sein. Danke für den ausführlichen Bericht 🥰.
LG Nina