Das Ahrtal – Zwei Jahre nach der Flut, wie sieht es heute dort aus? Steht die Nepomukbrücke in Rech noch? Fragen, die ich mir heute ein wenig beantworten lassen möchte, indem ich dort wandere und die Augen und Ohren aufsperre.

Ich wollte keine Katastrophentouristin sein, deshalb habe ich mir viel Zeit gelassen, um das Ahrtal wieder einmal zu besuchen. Einige Tage bevor diese schrecklichen Ereignisse das zweite Mal jährt, möchte ich dort wandern, auch noch einmal den Nepomuk auf der steinernen Brücke in Rech betrachten. Nepomuk wird zwei Tage nach meinem Besuch im Ahrtal von der Brücke herunter geholt, denn die alte Brücke und Wahrzeichen des Ortes, wird abgebaut.

Ahrtal - Rech
St.-Johannes-von-Nepomuk im Oktober 2017

Welche Eindrücke ich sammeln durfte und wie es sich für mich anfühlt dort zu wandern, das erfahrt ihr in diesem Beitrag. Und wer z.B. auf dem Ahrsteig wandern möchte, der erkundige sich bitte auf der Seite des Ahrtal Tourismus nach eventuellen Sperrungen.

Das Ahrtal - Zwei Jahre nach der Flut
Einladung an die Ahr zu kommen. Leider war heute Ruhetag, aber ich kann ja wieder kommen

Das Ahrtal – Ein erster Einblick

Eins vorneweg, das Wort „Ahr“ wurde in den letzten zwei Jahren, insbesondere zu Werbezwecken, immer wieder in anderen Worten gefunden und betont. Not macht erfinderisch und das haben die Menschen an der Ahr, ob Gäste, Helfer oder Betroffene wAHRlich getan. „We Ahr together“, We ahr open“, „We AHR famlily“ sind ein paar Beispiele. So das als Einführung, jetzt geht es erstmal los mit einigen Informationen zum Weg und anschließend wird bebildert.

  • Start/Ziel: Vor oder hinter der Behelfsbrücke in Rech, Im Bungert 4, 53506 Rech
  • Streckenlänge mit Abstecher zur Saffenburg etwa 8,5 km
  • Meine heutigen Höhenmeter lagen bei 280 m
  • Einkehrmöglichkeiten reichlich in Rech und Mayschoß
  • Einkehrmöglichkeit auch im Weingut Kloster Marienthal, sehr leckerer Flammkuchen und tolle Weine
  • Für mich wohl das emotionalste, was ich seit längerem gehört habe, der Podcast „Flut-Warum musste Johanna sterben“ Der Podcast hat den Deutschen Podcast Preis in den Kategorien Recherche und Skript gewonnen. ACHTUNG: Triggerwarnung
  • Noch einen Tipp möchte ich loswerden, nämlich die Bücher von Karin Joachim zu lesen, insbesondere den Kriminalroman „Eine Nacht im Juli“ aber auch alle anderen Krimis der Autorin. Karin lebt im Ahrtal und hat am eigenen Leib erfahren müssen wie es ist Haus und Existenz zu verlieren.

Das Ahrtal – Zwei Jahre nach der Flut – Wandern von Rech nach Mayschoß

Jetzt aber los, wir sind ja zum wandern hier. Jana und ich sind bereits gegen 8:30 Uhr auf dem Uferparkplatz in Rech gelandet. Mitten zwischen der Behelfsbrücke und der alten Nepomukbrücke stelle ich auf geschottertem Platz mein Auto ab.

Rechts von mir die alte, zum Abriss freigegebene Steinbrücke mit der Namen gebenden Figur drauf. Ein merkwürdiges Gefühl macht sich in meinem Magen breit. Nach der Flutnacht war der Nepomuk verschwunden und als er wieder auftaucht muss er erstmal wieder zusammen gesetzt werden, da er seinen Kopf verlor. Nun ist klar, die Brücke wird abgetragen, die Figur und Steine der Brücke werden später für etwas Neues eingesetzt. Eine Entscheidung, die die Einwohner von Rech tief gespalten hat. Doch bliebe die Brücke stehen, würde bei einem weiteren Hochwasser das gleiche geschehen, wie in der Nacht im Juli. Wohnwagen, Bäume und viel Gerümpel blieben an der niedrigen Brücke und den Bögen hängen und verstärkten die katastrophalen Auswirkungen.

Ein kleines Stück die Straße entlang und dann biegen wir rechts ab Richtung Weinberge. Die rote Brücke gibt es noch, wie schön. Überhaupt sieht es hier aus, als sei nichts geschehen. So trügerisch. Doch das Leben ist nur deshalb lebenswert, weil neben all dem Leid auch schöne Dinge geschehen und darauf möchte ich mich heute auch konzentrieren.

Das Ahrtal - Zwei Jahre nach der Flut
Die rote Brücke von Rech

Der Himmel ist blau, die Brücke rot und das Laub und die Trauben an den Reben sind grün. Welch eine Wonne, welch eine Augenweide.

Das Ahrtal
Sooo viele Trauben.

Die Saffenburg immer im Blick

Es ist nicht meine erste Runde um die Saffenburg und den nachwandernden Menschen sollte klar sein, dass die Wege geschottert sind. Nicht dass ihr mir hinterher den Stinkefinger zeigt. Doch ich will in die Weinberge schauen, möchte durch das Rebenmeer wandern und einfach mal wieder Ahrfeeling spüren.

Das Ahrtal
Meine liebe Jana

Treppen, schmale Felswege und herrliche Aussichten

Ich werde gar nicht so viel schreiben müssen, die landschaftlichen Eindrücke sprechen sicher für sich. Insgesamt sind einige Höhenmeter zu überwinden und ich bin heil froh vor der Hitzewelle hier unterwegs zu sein. Wir wandern an der Weinsicht Mayschoß vorbei, genießen den Blick auf die mändernde Ahr und die hoch über dem Ahrtal thronende Saffenburg.

Von unten höre ich die Kinder, die offensichtlich Schulpause haben und so munter lachend herum toben. Ob sie noch oft an die Flutnacht denken müssen? Ich freue mich über die ausgelassene Stimmung da unten. Für durstige Wandersleute hat man solarbetriebene Kühlschränke aufgebaut. Neben verschiedenen Weinen gibt es auch Wasser. Sogar die Bezahlung per Karte ist möglich. Am Michaelishof vorbei wandern wir und landen alsbald in Mayschoß.

Das Ahrtal – Mayschoß

Auch Mayschoß hat hohe Verluste zu beklagen. Vier Menschen starben, etliche Gebäude mussten abgerissen werden. Die Verbandsgemeinde hat 20 Tiny Houses für Menschen ohne Heimat aufgestellt (habe ich kürzlich im TV sehen können). Es ist noch so viel zu tun. Auch hier halte ich mich nicht lange mit Worten auf und lasse Bilder sprechen.

Wieder in die Weinberge

Es wird gearbeitet, überall sind Maschinen zu hören, Bagger verrichten ihre Arbeiten. Ich weiß nicht, ob es an der Ahr auch Tagesstunden gibt, die ruhig verlaufen? Es gibt noch so unendlich viel zu tun. Aber auch in den Weinbergen ist reichlich Arbeit, die Winzer entfernen die äußeren Blätter von den Reben, damit die Trauben viel Licht bekommen.

Den Abstecher zur Saffenburg gönnen wir uns noch. Ganz oben im Schatten eines Baumes wird getrunken und ein wenig ausgeruht.

Bald machen wir uns wieder auf die Socken, um den kleinen Rest der heutigen Runde anzugehen. ABER, es sollte anders kommen, denn Glasfaserkabel werden verlegt und der Weg nach Rech ist damit gesperrt.

Das Ahrtal
Das tut gut, schattige Wege
Das Ahrtal
Oh je, hier geht es nicht weiter

Artig suche ich nach einem Ausweichweg. Zunächst sieht das auch gut aus, breite Wege und herrliche Vogelstimmen, zuversichtlich strebe ich wieder einmal bergan. Ich bin ehrgeizig und will einen Weg hinunter finden, aber……

Nach dem Irrweg, der steinige Weg

Es war ziemlich mühselig dem schmalen Pfad zu folgen, der dann doch im nichts endete. Ein Fehltritt würde mich den Abhang hinunter fallen lassen. Das Risiko ist einfach zu hoch, hier geht es nicht weiter. Also wieder zurück „Chapeau an Jana, die so treu an meiner Seite läuft und meinen Hinweisen artig Folge leistet“ Und, ein wenig stolz bin ich ja dennoch auf mich, dass es mit Sorgfalt und Langsamkeit noch klappt, mit solchen Anforderungen.

Ich finde mich auf dem breiten Waldweg wieder und grüble darüber nach, wie ich jetzt nach Rech kommen soll. Ein inneres Strahlen fliegt durch mich, als ich ein Paar mit einem großen, schwarzen Hund mir entgegen kommen sehe. Auch die beiden suchen nach einem Weg hinunter nach Rech. Nach einer kleinen Diskussion beschließen wir gemeinsam zurück und möglichst durch die Baustelle zu gehen.

Die Frage an die dort arbeitenden Herren, ob wir „mal eben“ durch laufen dürfen, wir mit einem Kopfnicken beantwortet. Auch hier ein kurzes Gespräch, Austausch über die Folgen der Flut und dass man Versorgungsleitungen nun geschützter verlegt. Auch spürbarer Ärger über den zögerlichen Wiederaufbau war zu vernehmen.

Der kleine Abschnitt über das aufgeschüttete Sand/Steingemisch ist ein Balanceakt. An kniffligen Stellen gab es eine hilfreiche, stützende Hand von der jungen Frau. Puh, bin ich froh mit den beiden zusammen unterwegs gewesen zu sein.

Zwei Jahre nach der Flut
Nicht ganz einfach zu laufen

Das Paar steht mit dem Wohnmobil auf dem „neuen“ Campingplatz in Rech. Sie sind nur auf der Durchreise und fahren heute heimwärts.

Das Pärchen erzählte von Schicksalen einer Familie, wir sprechen über die Betroffenheit derer, die nicht von der Flut beeinträchtigt wurden. Wir sprechen über Politik und darüber, dass wir mehr darüber reden sollten was wir uns wünschen, anstatt gegen alles zu sein. Wir lachen über mein desaströses Navigationstalent und darüber, dass es dem Herrn genauso geht. Die Zeit fliegt nur so dahin, wir erreichen Rech und damit mein Auto. Der neunjährige Rüde des Paares geht mal eben in der Ahr baden und dann trennen sich unsere Wege.

Ich setze ich mich in mein Auto, um heim zu fahren. Ich bin noch halb in Gedanken bei dieser Begegnung und den Erzählungen ….

Die Flut – Warum musste Johanna sterben?

Auf der Rückfahrt nach Leverkusen hörte ich WDR 5. Da wurde dieser Podcast mit dem Titel: „Die Flut – Warum musste Johanna sterben?“ vorgestellt. Den sollten sich allerdings nur jene anhören sollten, die seelisch stabil sind. Ich höre mir die sieben derzeit vorhandenen Folgen stückweise an, die Erinnerung an die furchtbaren Fernsehberichte, das Wissen um grausame Schicksale berührt mich nach wie vor sehr. Die damaligen Nachrichten spiegeln jedoch nicht annähernd wieder, was in den betroffenen Menschen vorging/vorgeht, wie traumatisierend dieser 14. Juli 2021 war.

Einkehr im Weingut Kloster Marienthal

Kurz entschlossen lenke ich mein Autochen noch zum Weingut Kloster Marienthal. Obwohl die Außengastronomie moderat gefüllt ist, sind die Parkplätze fast alle belegt. Einen der letzten Parkplätze ergattere ich und damit steht dem Verzehr eines leckeren, mediterranen Flammkuchen nichts mehr im Weg. Vollkommen stilbrüchig bestelle ich dazu einen Milchkaffee. Ohne Kaffeegetränk geht bei mir nix.

Flammkuchen im Weingut Kloster Marienthal
Legger

Foto- Video Ausstellung Marienthal

Das war doch ein gelungener Abschluss, obwohl….. einen habe ich noch. Denn auf dem Weg nach Hause erspähe ich die Ahr-Vinothek mit der Flut-Foto-Video-Ausstellung in Marienthal, leider nur an Wochenenden geöffnet. Ich denke einen Besuch dort werde ich nicht auf die lange Bank schieben, denn auch dieses Gebäude war von der Flutkatastrophe am 14.7.2021 betroffen.

Der Tag verlief recht ungeplant, er war abenteuerlich, war mit einer wunderbaren Begegnungen gewürzt. Aber dieser Tag hinterlässt auch teilweise schwere Gedanken und Mitgefühl mit denen, die auch nach zwei Jahren noch kein endgültiges, intaktes Heim haben. Es war gut genau jetzt dort gewesen zu sein.

Ein Kommentar

Ich freue mich über ein paar nette Worte....

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