Das grüne Ruhrgebiet
Seit einigen Wochen steht fest, ich möchte mir Westerholt anschauen. Einige Fotobeiträge und das Buch „Ruhrgebiet WANDERN – KULTUR- GENUSS“ haben mich dazu motiviert. Ein Vorschlag aus dem vorgenannten Buch bietet dem Leser eine „Wanderung zwischen Schloss Westerholt und Schloss Berge“

Wanderung zwischen Schloss Westerholt und Schloss Berge
- Start/ Ziel: Herten, Schloßstr. 24 – Ich habe gegenüber der St. Martinus Kirche geparkt
- Streckenlänge: 15 km
- Höhenmeter: 165 m
- GPS Track Schloss Westerholt-Schloss Berge
- Webseiten mit Wandervorschlägen in der Region: Wanderwegewelt und Wanderwege-NRW
- Einkehr in den Schlössern und in Westerholt. Waldschenke und Gastronomie am Berger See
Was ich jedem Besucher und all jenen, die diese Route nachwandern möchten ins Gedächtnis rufen möchte ist die Tatsache, dass wir uns hier mitten im Herzen einer Großstadt befinden. So verlässt den Natursuchenden nur selten der Verkehrslärm. Vergleiche mit Mittelgebirge & Co sind hier nicht angebracht.

Zurück in die Vergangenheit – Westerholt
Ich habe mich auf der Seite des Heimatverein Westerholt ein wenig klug gemacht. Immerhin hat dieser historische Ort mit seinen 64 erhaltenen Fachwerkhäusern aus dem 17. Jahrhundert sehr beeindruckt. „Holz im Westen“ davon abgeleitet wurde der Ortsname „Westerholt“., der 1047 erstmals erwähnt wurde.
Anders als in vielen touristisch besuchten Orten erlebe ich hier ein aktives Miteinander der Einwohner. Man steht am Gartenzaun und plauscht, schaut offen, interessiert und grüßt die Vorbeigehenden. An anderer Stelle sitzt ein Herr in seinem Vorgarten, Zeitung lesend. Er schaut auf und grüßt.
Die Bürger Westerholts, so wirkt es auf mich, geben den Ort nicht einfach an den Besucher ab und ziehen sich zurück. Nein, sie dokumentieren ihr Heimatrecht auf sehr angenehme Weise. Harmonie und Ruhe durchdringen in dieser Atmosphäre mein Gefühlsleben. Sehr schön!
Die engen Straßen erlauben nur knappe Parkbuchten, so steht ein SLK dicht an einem wunderschönen Fachwerkhaus, unmittelbar an den Blumenkübeln. Irgendwie störend, das moderne Blech vor dem historischen Haus.
WasserSchloss Westerholt
Hier erlebe ich ein gänzlich anderes Gefühl. Edel wirkt die gesamte Umgebung, unterstrichen durch die vor den Gebäuden platzierten Golf-Carts.
In Reih und Glied aufgestellt, warten sie auf ihren professionellen Auftritt auf dem riesigen Golfgelände neben dem Schloss.

Das Schloss beherbergt ein Hotel, Restaurant und einen Golfclub. In dem stilvollen Ambiente können sich Heiratswillige ihr Jawort geben. Das Schloss ist der Stammsitz des Grafengeschlecht Westerholt, später Westerholt-Gysenberg. Mehr zur Geschichte derer von Westerholt und dem Schloss findet ihr auf der Webseite des Schlosses.
Mit einem gewissen inneren Abstand, fotografiere ich fix die Gebäude, drehe eine kleine Schleife zur Statue des Grafen Egon von und zu Westerholt und Gysenberg.

Parallel zum Schlossgraben führt mich der Wanderweg hinüber zum Golfplatzgelände. Immer wieder wende ich meinen Blick zurück auf die inselartige Präsenz des historischen Stadtkerns und auf das Schloss Westerholt.
Hier fliegen Golfbälle
So warnt mich ein Schild. Es ist noch sehr ruhig hier, nur wenige Golfer bevölkern die kurz rasierten Wiesen, die zwischen natürlicher Umgebung eingebettet das üblich sterile Wesen eines Golfplatzes missen lassen. Selten bin ich so gerne an einem Golfplatz vorbei gewandert.

Erst später lese ich auf einem Schild, dass dieser Golfplatz den Zusatz „Golf und Natur“ trägt und ein Zertifikat des DGV erarbeitet hat. Alte Streuobstwiesen sollen erhalten werden, Baumbestände wurden erfasst und die Sorten bestimmt. Eine erstrebenswerte Entwicklung, finde ich.

Der etwas andere Baum
Dieser Baum fällt mir auf, der wie es scheint, von einer festen Hülle umgeben in jungen Jahren in seinem Wachstum eingeschränkt wurde.

Die Sieben Schmerzen Kapelle
Der Westerholter Wald zeigt sich in Teilen schon in frischen Frühjahrsgrün. Noch fällt reichlich Licht durch die Kronen der hohen Bäume.
Ein kleine, unscheinbares Schild weist den Weg zur „Sieben Schmerzen Kapelle“ Die kleine Marien-Kapelle steht dort seit 1723, bzw. der Neubau seit 1948.
Der kleine Kreuzweg (Leidensweg der Mutter) zeigt den Schmerz Marias über das Leiden ihres Sohnes.



Es zwingt sich mir beinahe eine Andacht und ein Mitfühlen auf, denn wer kann den Schmerz einer Mutter mehr nachfühlen, als andere Mütter?
Waldschenke
Nach Überqueren der Ressestraße erreiche ich relativ schnell die kleine Waldschenke. Sie hat bereits geöffnet und für die müden Wanderer steht schon an der Außenfassade der Ruhetag. So mitten im Wald hat diese Waldschenke einen wunderbaren Platz gefunden. Welch eine Idylle.

Zum rasten ist es erheblich zu früh und so ziehe ich weiter, verharre kurze Zeit später an den sich gerade aufrollenden Farnen. Welch ein herrlicher Anblick nach den langen Wintermonaten.
Wenig weiter breitet sich ein Teppich Buschwindröschen aus. Im selben Augenblick findet die Sonne eine kleine Lücke in der dichten Wolkendecke und beleuchtet den Waldweg.
Auf einer kleinen Insel mitten im See stolziert ein Graureiher. Erst nachdem ich mich abwende startet er und sichert sich einen erhabenen Standort auf einem der hohen Bäume.


Gefährliche Trittsteine
An der nun folgenden Stelle wird klar, wir sind hier im innerstädtischen Bereich und das bedeutet, dass Spaziergänger und Wanderer nicht immer trittsicher sind. Was für mich eher lustig anmutet, ist dem Spaziergänger möglicherweise tatsächlich unheimlich.
Ich muss dieses Abenteuer nicht wagen, denn mein Weg führt weiter geradeaus Richtung Hauptfriedhof Gelsenkirchen.
Hauptfriedhof Gelsenkirchen
Ja ihr Lieben auch hier unterscheidet sich diese Region, diese Stadt von vielen anderen Städten. Der Wanderweg A 3 führt über diesen riesigen Friedhof mit Ausmaßen eines Stadtwaldes. Vollkommen selbstverständlich laufen hier Jogger und Hundehalter über die heilige Stätte.

Haunerfeldpark und der „Gelbe Wagen“
Wieder überquere ich eine größere Straße und erreiche den Haunerfeldpark. Gleich am Eingang stehen Gebäude eines Altenheimes aus dem der Refrain „….aber der Wagen der rollt“ erklingt. Na das Ständchen höre ich mir bis zu Ende an, setze mich hierfür auf eine nahe stehende Bank, auch um etwas zu trinken.
Dieser kleine Park ist schnell durchschritten und so lande ich nach einer weiteren Straßenquerung im Schlossgarten des Schloss Berge.
Schloss Berge
Akustisch deutlich vernehmbar sind die Kanadagänse, die mit lautem Gezeter auf sich aufmerksam machen. Die großen Tiere haben inzwischen andere Gänsearten und Enten nahezu restlos verscheucht. Sie sind sozusagen die Platzhirsche.
Der zweite und optische Eindruck ist sehr ansprechend. Die gepflanzten Blumenreihen sind für meinen Geschmack zu gerade und einheitlich. Jedoch kümmert das die Besucher und Flaneure des großen Schlossgeländes offensichtlich nicht. Jung und alt und eine große Spanne an gesellschaftlichen Schichten tummeln sich hier.
Im Schloss Berge ist ein Hotel und ein Restaurant untergebracht.






Eine der wenigen anderen Gänsearten kommt im Tiefflug und landet mit dem typischen Füße voraus Platschen im Wasser. Sie wird mit lautem Protestgeschrei der Kanadagänse begrüßt.


Berger See
Im Jahr 1930 wurde der See angestaut und war immer schon Anziehungspunkt für Erholungssuchende. Unglaublich wie riesig die Wasserfläche ist. Am Ufer ist ein Bootsverleih mit riesigen Plastikschwänen zu finden.

Da dürfte im Sommer einiges los sein. Der große Uferbereich bietet jedoch für sehr viele Menschen Raum und die Spazierwege rund herum sind breit und gut ausgebaut. Auch hier auf den angrenzenden Wiesen tummeln sich die Kanadagänse.
Leider liegt der See im Dunst, die Sonne hat es in dieser Region nicht so ganz geschafft die Vorherrschaft zu erhaschen. Ich steige die Stufen zum Ehrenmal hinauf und wende mich nach rechts.
Das Ehrenmal wurde einst zum Gedenken an die Opfer des ersten Weltkrieges errichtet und bei der späteren Sanierung 1955 durch Änderung der Inschrift „Die Opfer des Krieges mahnen zum Frieden“ auf den zweiten Weltkrieg erweitert.

Kunst am Baum
Zunächst dachte ich an eine Illusion, doch die Bäume in dem schmalen Waldstück links neben mir, sind tatsächlich künstlerisch bearbeitet. Findige Künstlerköpfe des Kunstverein Gelsenkirchen haben, unter dem Motto „Kunst am Baum“ aus dem Totholz Figuren heraus gearbeitet.




Eine geniale Idee, finde ich! Ich gebe ja zu, ich bin kein Stadtwandermensch. Die Wanderroute des heutigen Tages birgt aber so viele Überraschungen, dass es nicht eine Sekunde langweilig ist, hier zu wandern.
Vom Nymphaeenweiher zum Dahliengarten
Der geheimnisvoll wirkende Nymphaeenweiher ist schnell passiert. Noch immer befinde ich mich in den Berger Parkanlagen. Ein Pergolgenplatz erinnert an die Zusammenlegung der Gemeinden Gelsenkirchen, Buer und Horst im Jahr 1928. In der Mitte dieses Platzes steht die „Vereinigungslinde“
Wieder auf dem Hauptfriedhof und der Stadtwald
Nach dem die Crangerstraße gequert ist, lande ich wieder auf dem Gelände des Hautpfriedhofes, um anschließend wieder den Stadtwald zu betreten. Alte Bäume, einen vermüllten Pavillon und eine unüberhörbare Gesangskulisse der vielen Singvögel sind bleibende Eindrücke, die ich mitnehme.
Immer wieder fällt mein Blick auf die großen Astlöcher und die Frage nach den Bewohnern kräuselt durch mein Gehirn. Wie gerne würde ich Zaungast sein und die federlosen kleinen Piepser beobachten.
Das alte Dorf Westerholt
Noch reichlich Eindrücke sammeln sich auf meinem Kamerachip, während ich den Schlussakkord durch die Straßen des historischen Dorfes wandere. Eine überraschend ereignisreiche und naturnahe Wanderung hat ihre Ende gefunden.
Wer sich für altes Fachwerk und die Schlösser interessiert und dazu noch in schöner Umgebung die Füße bewegen möchte, ist mit dieser Wanderung sehr gut bedient. Nicht ein Meter Asphalt zu viel, es wird klug durch die grünsten Stadtbereiche geführt.
Einige der Informationen zu den Eckpunkten der heutigen Wanderung fand ich in dem Buch „Ruhrgebiet – WANDERN KULTUR GENUSS“ von Roland Klemann. Es wird sicher nicht meine letzte Tour von Roland sein.
Toll!
Eine so umfangreich bebilderte und beschriebene Tour der Orte meiner Kindheit!
Zufällig habe ich diese Orte noch im vergangenen Herbst von Oberhausen aus mit dem Fahrrad besucht.
Großartig aufbereitet, mein aufrichtiges Kompliment dazu.
MIt Grüßen aus der Stadt, in der die Ober hausen :-)
Lo
Vielen Dank für diese aufbauenden Worte, das tut ja mal gut! ;-)
Einen lieben Gruß den Rhein runter
Elke
Sehr einladend geschrieben und mit tollen Fotos. Da möchte man doch gleich los in diese Natur.
Hallo Elke.
Ich habe beim lesen Gänsehaut bekommen. Deine, wie gewohnt, tollen Bilder bringen tatsächlich etwas vom Heimatgefühl der Ruhrregion rüber. Ich kenne alle deine Motive von meinen Rundwanderungen in der Region. Den äußerlich sehr elitären Golfplatz unmittelbar neben Dorf Westerholt. Ebenfalls am Golfplatz anschließend der ehemalige Löwenpark. Haus Berge mit dem Stadion meines Lieblingsvereins in der Nähe. Sei froh das Du dort nicht heute unterwegs warst (Derby). Und natürlich darf man hier keine Naturruhe wie in Eifel oder Hunsrück erwarten. Wer aber offen, mit Vorfreude und neugierig hier auf Tour geht wird nicht enttäuscht. Und dein Quellen sind gut 🙂 .Roland Kleemann’s „Ruhrgebiet – Wander, Kultur, Genuss“ ist wunderbar geeignet die grüne Seite des Ruhrgebiets zu entdecken. Für die etwas härteren Touren (mit mehr Industriekultur) kann ich noch „Weites Revier“ aus dem Klartextverlag empfehlen. Und für kurze Rundtouren natürlich meinen Blog. 🙂
Liebe Grüße vom linken Niederrhein.
Jürgen
Das kann ich mir gut vorstellen, dass Dir da sämtliche Ecken bekannt sind ;-)
Ich tue mich ja oft sehr schwer in meiner Freizeit in Metropolen zu fahren, andererseits reizen sie mich und wecken meine Neugierde.
Ich kann mir gut vorstellen, dass ich in meiner Rentenzeit öfter Abstecher zu euch mache. Die Industriekultur interessiert fasziniert mich, viel zu wenig kenne ich bislang. Drum hoffe ich noch auf ein langes und interessiertes Restleben ;-)
Ganz liebe Grüße aus dem Leverkusener Sonnenfleckchen
Elke